Tania Favela: streifen fernen lichts | franja de luz lejana
Aus dem mexikanischen Spanisch von Silke Kleemann
Frontispiz: Alfonso Suárez-Kurz
Satz und Layout: Fagott, Ffm
Seiten: 54, 19 x 13 cm, Broschur
Alle Rechte liegen bei den Urheberinnen
hochroth Heidelberg 2023, ISBN: 978-3-949850-28-8
Die Gedichte in Tania Favelas Band franja de luz lejana / streifen fernen lichts kreisen um die Themen Kindheit, Erinnerung, Tod und Verlust der Mutter. In ihrer sprachlichen Gestaltung vertrauen sie ganz dem assoziativen Zauber des Wortklangs, verschiedene Sprecher- und Reflektionsebenen fließen ineinander und stellen Innen- und Außenwahrnehmung direkt nebeneinander – visuell luftig angeordnet zu wolkenartig schwebenden Gebilden oder auch mehr erzählend in sich schlank dahinschlängelnder Form. Eine Einladung, den Resonanzen folgend selbst ins eigene Feld der Erinnerung und früher Emotionen einzutauchen. Und nicht zuletzt eine Liebeserklärung an die schmerzlich vermisste Mutter.
Textprobe:
du sagtest kindheit du sagtest versteck dich, da kommen sie links tanze
du sahst kinder rennen alle zum großen baum mit den haarigen raupen
das gefühl (innen) ihre über deinen rücken krabbelnden füße
das kalte gefühl ihrer füße brennend
da ist der garten da die mauer der brunnen die wege die weide
(außen) schließt sich die wunde nicht das brennen rückt vor
du sagtest kindheit und aufging das haus die tür die mutter
steine für den weg
dijiste infancia dijiste escóndete que ahí vienen a la izquierda baila
viste niños corriendo contemplando el gran árbol de azotadores
la sensación (adentro) sus patas caminando por tu espalda
la sensación fría de sus patas quemando
ahí está el jardín ahí la barda la fuente las calles los sauces
(afuera) la herida no cierra la quemadura avanza
dijiste infancia y se abrió la casa la puerta la madre
piedras para el camino
Autorin:
Tania Favela Bustillo, geboren 1970 in Mexiko-Stadt, ist Dichterin, Literaturwissenschaftlerin und Essayistin. Sie hat an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko in lateinamerikanischer Literatur promoviert. Von 2000 bis 2010 war sie Redaktionsmitglied der Zeitschrift »El poeta y su trabajo«, unter Leitung des argentinischen Dichters Hugo Gola. Sie veröffentlichte die Gedichtbände Materia del camino (Mexiko, 2006), Pequeños resquicios (Mexiko, 2013), La marcha hacia ninguna parte (Chile, 2018) und La imagen rueda (Spanien, 2022), neben verschiedenen literaturwissenschaftlichen Veröffentlichungen zu zeitgenössischer spanischsprachiger Lyrik. 2021 war sie Teilnehmerin beim lateinamerikanischen Poesiefestival Latinale in Berlin. Derzeit unterrichtet sie an der Universidad Iberoamericana in Mexiko-Stadt.
Die Übersetzerin:
Silke Kleemann, 1976 in Köln geboren, studierte Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft in Mainz/Germersheim und arbeitet seit 2000 als Übersetzerin spanischsprachiger Literatur, Lektorin und Autorin. Sie übersetzt Romane (u. a. Juan Filloy, Katixa Agirre, Marina Perezagua) ebenso wie Lyrik (u. a. Diana Bellessi, Claudio Rodríguez, Nicolás Guillén) und Kinder- und Jugendliteratur. Neben anderen Auszeichnungen erhielt sie 2015 für ihre Übersetzungen des argentinischen Autors Ariel Magnus den Bayrischen Kunstförderpreis für Literatur sowie für ihr Jugendbuchprojekt „Manic Road Movie“ ein Literaturstipendium der Stadt München und zuletzt 2020 das Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern für literarische Übersetzerinnen und Übersetzer. Sie lebt in München.