Ianina Ilitcheva – ich sehe die einsamkeit vor mir und sie ist leicht

ich sehe die einsamkeit vor mir und sie ist leicht ist nach „@blutundkaffee“ (Frohmann Verlag 2017) die zweite Veröffentlichung aus dem Nachlass der 2016 verstorbenen Künstlerin und Schriftstellerin Ianina Ilitcheva. Der Band, den Rick Reuther herausgegeben hat, versammelt eine Auswahl an Blogeinträgen, Tweets sowie Gedicht- und Kurzprosaveröffentlichungen. Sie thematisieren Körpererfahrung, Liebe und Sex, Freiheit und Tod in einer Sprache, die ihre Schönheit daraus entwickelt, gleichzeitig direkt, ganz frei und gewaltlos zu sein.

„Einer formalen und sprachlichen Einordnung der Texte ist weitgehend der Boden entzogen. Die Texte fordern das nicht. Das ist befreiend, kein Herumstelzen und Festkleben in der Form, die den Gedanken zwingt. Genauso, wie es befreiend (nicht bedrückend) ist, diese Texte zu lesen und man frische, sauerstoffangereicherte Luft atmet, auch dort, wo es um ihre Krankheit geht. Die Texte stülpen sich aus, entgrenzen – und diese Entgrenzung ist keine vorgetäuschte“, Markus Hallinger, Signaturen-Magazin

„Wir [brauchen] mehr solcher Dichter*innen wie Ianina Ilitcheva […], die die Wände, die manchmal gnadenlos zwischen uns Leser*innen und Text stehen, einreißen und uns dadurch mehr am eigenen Leben teilhaben lassen, als wir es vielleicht aushalten“, Marko Dinić, Fixpoetry

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music – diary (4)
posted on 11/06/2009

meine titten schrumpfen wirklich. meine schönen titten. es ist ein jammer. jahrelang wurde mein körper von hormonen versorgt wie ein luchs im zoo mit halbtoten mäusen gefüttert wird. nun ist der luchs freigelassen, aber das jagen hat er natürlich verlernt. mein appetit lässt zu wünschen übrig, meine lust ist so gut wie nicht vorhanden. die pauschalen selfmade-orgasmen erscheinen einem sinnlos. der hammer ist das alles nicht. ich habe wirklich das gefühl, das system sei völlig heruntergefahren und ich müsste es von grund auf neustarten. wieder jagen lernen. merkwürdige erfahrung, aber ich habe immer noch die hoffnung, dass alles gut und besser wird. jagen lernen. der verstand wurde blöderweise nicht neugestartet, der arbeitet noch wie früher und scheinbar sogar klarer und unverfälschter. das macht die sache nicht einfacher, die ansprüche sind hoch, der luchs will halt keine maden fressen. eine fette maus soll es sein, bei deren anblick seine lefzen feucht werden, der blick starr auf die beute gerichtet, der appetit erwacht und unbändig. blöd nur, dass in diesem wald um mich herum nur pilze wachsen.

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Ianina Ilitcheva wurde 1983 mit einer seltenen Krankheit geboren. Ihre Mutter zog wegen besserer Behandlungsmöglichkeiten 1991 mit ihr von Usbekistan nach Österreich. Nach der Matura studierte Ilitcheva erst Malerei an der Akademie der bildenden Künste Wien (Meisterklasse Daniel Richter) und dann ab 2013 am Institut für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst bei u. a. Ferdinand Schmatz und Esther Dischereit. Bis zu ihrem Tod im Dezember 2016 produzierte sie ununterbrochen Texte, Tweets, Blogs, Erzählungen, Gedichte, Performances und bildnerische Arbeiten.

Rick Reuther, geboren 1993 in Hamburg, lebt in Wien, wo er gemeinsam mit Ianina Ilitcheva am Institut für Sprachkunst studierte. 

Ianina Ilitcheva
ich sehe die einsamkeit vor mir und sie ist leicht
Herausgegeben von Rick Reuther
hochroth München 2018
ISBN 978-3-903182-11-0
44 Seiten, Broschur

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Ianina Ilitcheva - ich sehe die einsamkeit vor mir uns sie ist leicht

Artikelnummer: 4619
Stückpreis: 10,00 EUR
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